Eigentlich
hatte ich schon gedanklich genau meine short story zum Thema
fertig
geschrieben….
…eigentlich…
…denn
eigentlich muss ich beim Thema „Freundschaft“
immer als erstes an meine Freundin Gail denken, weil uns eine ganz
besondere Freundschaft verbindet, aber ich fange von vorne an:
Mehr als 30
Jahre ist es her, dass wir uns durch einen Zufall kennengelernt haben.
Ich habe
mich schon immer für ferne Länder interessiert und vor allem Australien hatte
mich bereits als Kind und Jugendliche in den Bann gezogen.
Als ich durch Zufall
eine Anzeige in eine für meine Zeit typische Jugendzeitschrift gelesen habe, in
dem ein Junge namens Ken D. aus Brisbane, Queensland, Australien eine
Brieffreundschaft in Deutschland suchte, schrieb ich sofort einen Luftpostbrief
an die Adresse.
Ich weiß nicht mehr wie lange ich auf Antwort gewartet habe,
aber eines Tages lag ein Brief von Gail C.aus dem fernen Brisbane in meinem
Postkasten und ich war ganz aufgeregt, dass ich überhaupt eine Antwort erhalten
hatte. Dem australischen Jungen Ken D. hatten so viele deutsche Schüler
geschrieben, das er einfach kurzerhand die Briefe in der Schule in den Deutschkursen
verteilt hatte und so ist Gail an meinen Brief gekommen und hatte geantwortet.
Anfangs haben
wir typische Mädchenthemen ausgetauscht. Es wurde über die Familie, den
Geschwistern und Familienfeiern geschrieben. Über die erste Liebe, Hobbies und
Schule und Studium haben wir erzählt. …und das viele Jahre ohne www… man
wartete immer sehnsüchtig auf den nächsten Brief…das waren ganz andere
Dimensionen wie wir sie heute haben…
Im Januar 1989,
vor 25 Jahren, besuchte mich Gail nach einem Aufenthalt in Japan in
Deutschland, um vier Wochen zu bleiben. Ich weiß noch genau, wie meine Eltern
und ich sie vom Hamburger Flughafen abgeholt haben. Ich war so aufgeregt und bemerkte trotzdem
sofort die Stille und Traurigkeit, die Gail mitbrachte. Ganz vorsichtig sind
wir uns anfangs näher gekommen, es ist ein unbeschreibliches Gefühl, wenn eine
Brieffreundin, mit der man sich bereits 8 Jahre geschrieben hat, plötzlich
richtig vor einem steht. Auf beiden Seiten war aber gleich ein Gefühl der
Vertrautheit vorhanden, als wenn wir nur kurz getrennt gewesen wären. Zu Hause
wurden die Heizungen erst einmal höher gedreht und warme Pullover rausgesucht,
um die winterlichen Temperaturen für Gail angenehmer zu machen. …und nachdem
sie „aufgetaut“ war, erklärte sie auch, dass sie nur so traurig in Hamburg
gelandet ist, da sie eine anstrengende Zeit in Japan hatte und sich dort von
ihrem damaligen Freund und jetzigen
Ehemann trennen musste, was ihr unglaublich schwer fiel. Wer kann das nicht
besser verstehen als eine gute Freundin! Wir hatten eine unglaublich schöne
Zeit und der Tag des Abschieds war so schwer, denn durch das persönliche
Kennenlernen ist unsere Freundschaft noch viel tiefer geworden.
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...sogar die regionale Zeitung hatte damals berichtet... |
1992 nach
meiner Ausbildung und Studium bin ich dann nach Australien geflogen. Ich fühlte
mich gleich zu Hause. Gails Familie und Freunde machte es mir sehr leicht, mich
sofort heimisch zu fühlen. …und wir beide stellten fest, dass unsere Mütter
sich unglaublich ähnlich waren, sie hätten Schwestern sein können. Vielleicht
ist auch das Geheimnis, warum unsere Freundschaft über eine so weite Entfernung
noch immer so tief ist. Hätte ich damals meinen Göttergatten noch nicht
gekannt, ich glaube, ich wäre dort geblieben.
Mit der Zeit
heirateten wir beide unsere Liebe des Lebens, wir bauten Häuser und bei mir
zogen zwei wunderbare Kinder ein, von denen Gail und ihr Mann Paten sind. Durch
die geniale Erfindung des WorldWideWeb wurden schneller Nachrichten und Fotos
ausgetauscht und das Gefühl der riesengroßen räumlichen Entfernung wurde
kleiner. Gail ist der Grund, warum ich blogge, bei fb und instragram zu finden
bin.
Der letzte
persönliche Besuch von ihr war vor gut 10 Jahren. Da ist sie mit ihrem Mann zu
uns gekommen und hat nun auch endlich persönlich ihre Patenkinder in den Arm
nehmen können.
Die
gemeinsame Zeiten, die wir miteinander erlebt haben, möchte ich nicht missen,
obwohl es mir jedes Mal unglaublich schwer fällt, davon zu erzählen oder zu
schreiben. Jedes Mal, wenn der Tag des Abschied bevorstand, mussten wir uns
ganz schnell trennen, da der Schmerz unbeschreiblich war. Auch jetzt, wenn ich
darüber schreibe, kann ich meine Tränen nicht zurückhalten und es tut einfach
weh, dass ich nicht einmal schnell zum Kaffee bei ihr reinschauen kann.
Obwohl wir in
zwei unterschiedliche Kulturen und Sprachen aufgewachsen sind und so eine
wahnsinnig große Entfernung zwischen uns liegt, ist unsere Freundschaft für
mich eine der längsten, tiefsten und innigsten Freundschaften, die ich habe.
Warum das ist? Ich weiß es nicht! Wenn mich jemand danach fragt, sage ich
immer, dass wir in unseren früheren Leben bestimmt mal Schwestern waren. …und
Seelenschwestern sind wir immer noch….